Hühnerleben: Mehr Schutz für männliche Küken
Sie legen keine Eier und setzen wenig Fleisch an – männliche Küken. Weltweit besiegelten diese Eigenschaften in den meisten Brütereien ihr Schicksal: Da sich die Aufzucht der Hähne nicht rechnet, wurden sie unmittelbar nach dem Schlüpfen aussortiert und getötet. Unter dem Begriff „Kükenschreddern“ ist diese Praxis in den vergangenen Jahren verstärkt in den Blick der Öffentlichkeit gerückt, seit dem 1. Januar 2022 ist das Kükentöten verboten.
Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) förderte im Rahmen seiner Tierwohlinitiative "Eine Frage der Haltung" entsprechende Forschungsvorhaben, um die Suche nach Alternativen zum Kükentöten voranzubringen.
Experten diskutieren im Wesentlichen drei Alternativen: Die „in ovo“-Geschlechtsbestimmung, das "Zweinutzungshuhn" und die "Bruderhahn-Initiative". Was zeichnet diese Alternativen aus? Was können sie leisten und wo liegen ihre Grenzen?
Das „Zweinutzungshuhn“
Bei so genannten Zweinutzungshühnern handelt es sich um Kreuzungszuchtlinien oder Rassen, bei denen beide Geschlechter aufgezogen werden: Weibliche Küken kommen als Legehennen zum Einsatz; männliche Küken werden zur Mast aufgezogen. Wer sich als Landwirt für diese besondere Nutzungsrichtung entscheidet, verzichtet auf Maximalerträge, geht er doch zum Wohl der Tiere einen gleichsam doppelten Kompromiss ein. Denn: Die weiblichen Tiere legen weniger Eier als herkömmliche Legehennen, die männlichen Tiere nehmen im Vergleich zu Hähnen üblicher Mastlinien langsamer zu und haben eine geringere Fleischausbeute.
Das Zweinutzungshuhn ist dort eine Alternative, wo Verbraucher bereit sind, die höheren Preise für Fleisch und Eier zu zahlen. Die Nachfrage hält sich in Grenzen. Nur wenige Verbraucherinnen und Verbraucher sind bereit, den erforderlichen Aufpreis von rund zwei Euro mehr pro Kilogramm Hähnchenfleisch und fünf bis zwölf Cent Mehrkosten pro Ei zu zahlen.
Aus Sicht von Experten ist daher absehbar: Zweinutzungshühner werden nur dann eine echte Alternative, wenn es gelingt, Tiere züchten, die mehr Eier legen und sich besser mästen lassen. Verschiedene Zuchtunternehmen haben dies erkannt und widmen sich dieser Aufgabe.
Daneben gibt es noch alte regionale Haushuhnrassen, wie etwa das Vorwerkhuhn oder das Sulmtaler Huhn, deren Bestände auf Zeiten weit vor Beginn der auf einseitige Nutzungsrichtungen ausgelegten Hochleistungszüchtung zurückgehen und mittlerweile als gefährdet gelten. Als Zweinutzungsrassen werden sie heute noch von Liebhabern in Erhaltungszuchtringen betreut und für kleine Marktnischen genutzt.
Die „Bruderhahn-Initiative“
Neben dem Zweinutzungshuhn macht derzeit die "Bruderhahn-Initiative" von sich reden. Hier handelt es sich nicht um eine besondere Rasse. Vielmehr werden die Brüder herkömmlicher Legehennen nicht aussortiert und getötet, sondern ebenfalls aufgezogen. Dabei wird in Kauf genommen, dass sie deutlich weniger Fleisch liefern, stärker verfetten können und eine deutlich schlechtere Futterverwertung aufweisen als männliche Küken aus Masthuhn- und Zweinutzungslinien. Der geringere Ertrag für das Fleisch dieser Tiere wird in diesem Modell über einen höheren Verkaufspreis der Eier aufgefangen – gleichsam ein "Bruderhahn-Soli".
Das große Plus beider Modelle (Zweinutzungshühner, Bruderhähne) ist das Mehr an Tierschutz, mit dem vermieden wird, die männlichen Küken zu töten. Dem gegenüber stehen allerdings nicht nur die höheren Kosten bzw. Preise, sondern auch ein deutlich höherer Ressourcenverbrauch (Futter, Wasser, Nutzfläche). Das BMEL förderte deshalb ein Forschungsverbundvorhaben, in dem Optimierungsmöglichkeiten für den Einsatz des Zweinutzungshuhns aus der Sicht des Tier-, Verbraucher- und Umweltschutzes sowie der Wirtschaftlichkeit untersucht wurden.
Die „in ovo“-Geschlechtsbestimmung
Als dritte Alternative gilt die „in ovo“-Geschlechtsbestimmung. Diese setzt darauf, bereits frühzeitig im Ei (lat. „in ovo“) das Geschlecht eines Tieres bestimmen zu können. Ziel ist, dass nur noch die weiblichen Tiere ausgebrütet werden. Die „männlichen“ Eier werden vorher aussortiert und können als wertvoller Rohstoff für andere Zwecke verwendet werden. Die mit BMEL-Mitteln entwickelten Grundlagen wurden von der Wirtschaft aufgegriffen, um sie für die Brütereien in praxistaugliche Lösungen zu überführen. Seit November 2018 sind Konsumeier erhältlich, die von Hennen gelegt wurden, die durch eine Geschlechtsbestimmung im Brutei ohne Kükentöten erzeugt wurden.
Weitere Informationen
Zweinutzungshuhn - Forschung für mehr Tierwohl
Auf dem Weg zum Beenden des Kükentötens – erste Eier im Handel