Mehr Tierwohl durch Tierzucht?
Die Nutztierhaltung in Deutschland steht in der Kritik. Die Gesellschaft fordert, dass sich Staat und Landwirtschaft für mehr Tierwohl und eine bessere Tiergesundheit einsetzen.
Daher hat das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) die Nutztierstrategie auf den Weg gebracht. Ziel der Nutztierstrategie ist, der Nutztierhaltung in Deutschland eine Zukunft zu geben und sie als hochentwickelten Sektor weiterhin zu verbessern. Sie soll den Weg in eine Tierhaltung weisen, die eine breite Zustimmung der Gesellschaft findet, die gleichzeitig ökonomisch gut aufgestellt ist und die Versorgung der Verbraucher sichert.
Die Nutztierstrategie beinhaltet zehn Handlungsfelder, von denen der Punkt 4 zum Thema Tierzucht wie folgt lautet:
"Der züchterische Fortschritt bei Nutztieren wird in Deutschland von leistungsfähigen Züchtervereinigungen und international ausgerichteten Zuchtunternehmen erbracht. Der Schwerpunkt der züchterischen Aktivitäten liegt allerdings zu stark auf Leistungsmerkmalen wie Steigerung der Milchleistung und Fleischzunahmen. Es bestehen züchterisch bedingte Tierschutzprobleme, zum Beispiel durch Selektion auf die Leistung weiblicher Tiere (Eier, Milch), die zu einer Entwertung der männlichen Tiere führt.
Mit den Zuchtorganisationen und -unternehmen werden freiwillige Vereinbarungen getroffen, um die Zucht auf Gesundheit und Robustheit und Fitness in der Praxis deutlich zu verstärken und weiterzuentwickeln. Es wird erwartet, dass zeitnah wesentliche Entwicklungen durch Wirtschaft und Zuchtorganisationen eingeleitet und nachdrücklich vorangetrieben werden. Ziel ist eine nachhaltige Zucht, die die Ausgewogenheit der Zuchtziele zwischen den Merkmalen zur Mengenleistung einerseits und der Tiergesundheit sowie zur Umweltwirkung andererseits berücksichtigt."
Weniger Tiere ernähren mehr Menschen
Geschichtlich betrachtet ist die Entwicklung wie folgt zu erklären: Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs die Bevölkerung in Deutschland sehr schnell und somit stieg die Nachfrage nach kostengünstigen Nahrungsmitteln tierischer Herkunft, vor allem Milch, Fleisch und Eier. Dies konnte mit den damals vorhandenen Tierbeständen und Produktionsverfahren nicht erfüllt werden. Es drohten Hungerrevolten und Mangel, denen mit dem Aufbau systematischer Züchtungssysteme begegnen wurde.
Zwar ernähren durch diese Leistungssteigerungen weniger Tiere mehr Menschen, was auch im Hinblick auf die Ressourceneffizienz eine Verbesserung darstellt. Seit einigen Jahren wird aber in der öffentlichen Diskussion immer stärker die ökonomisch erfolgreiche und leistungsbezogene Zucht hinterfragt.
Als Beispiel die Hühnerrassen
Ein Beispiel dazu ist die inzwischen immer mehr in der Öffentlichkeit bekannte Problematik der Hühnerrassen. Heute wird in der landwirtschaftlichen Hühnerhaltung zwischen Legehennen und Masthühnern unterschieden und beide sind zu effizienten Hochleistungstieren gezüchtet worden. Eine Legehenne legt heute bis zu 300 Eier pro Jahr. Masthühner bilden in kürzester Zeit viel Fleisch: Bereits nach fünf bis sieben Wochen sind sie schlachtreif. Die Entwicklung war, dass die männlichen Küken der Legelinien nicht gebraucht und daher kurz nach dem Schlüpfen getötet wurden, da sie zu wenig Fleisch ansetzen. Dieses Thema führte - auch durch eine zunehmende gesamtgesellschaftliche Debatte - zu einem Umdenken und zur Suche nach Alternativen. Unter anderem wurde die Zucht bei den Zweinutzungshühnern vorangetrieben. Solche Hühner legen Eier und setzen Fleisch an, allerdings in weit geringerem Umfang als dies bei den jeweiligen Lege- und Mastlinien der Fall ist. Dieses ganzheitliche Konzept zielt darauf ab, das Tierwohl zu verbessern, indem der Stress für die Tiere reduziert und die Leistung entschleunigt wird.
Thema Tierzucht im BZL-Video
Die Frage, wie die Tierzucht zu mehr Tierwohl und Tiergesundheit beitragen kann, wird vom Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) in einem Video aufgegriffen und wird für Milchkühe, Schweine und Masthühner beantwortet.
Die wichtigsten Punkte:
- weniger auf Leistung, dafür mehr auf Fitness und Gesundheit züchten
- Zucht auf robustere und weniger krankheitsanfällige Mastschweine
- Focus setzen auf langsamer Fleisch ansetzende Masthähnchen
Im Film wird das Fazit gezogen, dass neben Fragen der Haltung in Zukunft auch Fragen der Tierzucht berücksichtigt werden müssen, wenn wir als Gesellschaft über Tierwohl und Tiergesundheit reden. Der Film arbeitet neben den möglichen Zuchtzielen aber auch die Zielkonflikte heraus.
Sehen Sie selbst:
Zum BZL-Film: Mehr Tierwohl durch Züchtung?
Weitere Informationen
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Zweinutzungshuhn - Forschung für mehr Tierwohl
Alternativen zum Töten männlicher Küken
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landwirtschaft.de: Welchen Einfluss hat die Züchtung auf das Tierwohl?