Masthähnchen und alte Schweinerassen bei Bauer Schramm
Auf dem Hof von "Bauer Schramm" in Schleswig-Holstein leben Schweine alter Schweinerassen, die in Vergessenheit geraten sind, wie beispielsweise die Schweine der robusten Rasse Angler Sattelschwein, die langsamer wachsen als andere Schweinerassen. Das Angler Sattelschwein zählt bis heute zu den vom Aussterben bedrohten Nutztierrassen. Beim Angler Sattelschwein handelt es sich um eine sehr alte schleswig-holsteinische Nutztierrasse.
Früher noch stark verbreitet, zählten die Angler Sattelschweine zu den Robustrassen vieler Landwirte. Da andere Schweinerassen für die industrielle Mast geeigneter und profitabler waren, da sie schneller wuchsen, war aus diesem Grunde das Angler Sattelschwein in den 90er Jahren vom Aussterben bedroht. Nach der Wiedervereinigung wurden, mit der Unterstützung der Landesregierung Schleswig-Holstein und des Schweinezuchtverbandes, einige Sauen und Eber aus Sachsen zurück nach Schleswig-Holstein geholt.
Auf dem Hof der Familie Schramm werden auch Duroc-Schweine gehalten, diese sind eine rund 250 Jahre alte Schweinerasse, die ihren Ursprung in den USA haben. Sie sind eine Kreuzung aus dem roten Jersey-Schwein und dem europäischen Iberico Schwein. Das Duroc-Schwein verbindet die Vorzüge beider Ursprungsrassen und überzeugt den Landwirt mit seiner Fleischqualität.
Am Hoftag in den Stall blicken
Am Tag des offenen Hofes am 11. und 12. Juni 2022 öffnete Betriebsleiter Heldrik Schramm mit Unterstützung der ganzen Familie die Stalltore des Hofes, sodass die interessierten Besucherinnen und Besucher selber sehen konnten, welche Schweine und wie die Schweine auf dem Betrieb leben. Die Ställe waren offen und Besucherinnen und Besucher konnten überall herumlaufen, sich alles ansehen und vor allem auch ihre Fragen stellen. Am ersten Tag waren bereits über 1.000 Gäste gekommen, die honorierten, dass sie überall herumlaufen durften: "Einfach mal hinter die Kulissen gucken, das ist schon sehr interessant." Und das sagt der Landwirt: "Die Transparenz unseren Kunden gegenüber ist uns wichtig. Daher bieten wir jedem Interessierten auch den Blick in den Stall an."
Für Jung und Alt war schon die Treckerfahrt vom Parkplatz bis zum Hof eine tolle Attraktion. Für die Kinder waren auch ein paar Ballen Stroh unter Bäumen im Schatten ein großartiges Vergnügen und eine schöne Pause, denn es war ziemlich warm an diesem Wochenende.
Das Leben der Schweine
Auf dem Hof werden zurzeit sechs Zuchtsauen gehalten. Diese sind jeweils zweimal pro Jahr trächtig und bekommen im Schnitt 12 Ferkel pro Wurf. Die Sauen werden auf dem Hof durch eine künstliche Besamung befruchtet. Sie sind 112 bis 115 Tage tragend. Man spricht auch von dem "3 Monate, 3 Wochen und 3 Tage"-Richtwert. Die trächtigen Sauen laufen in kleinen Gruppen zusammen mit anderen Schweinen auf Stroh. Eine Woche vor dem Abferkeln kommen sie in eine Abferkelbucht. Abferkeln nennt man den Geburtsvorgang bei Schweinen. Die Sauen ferkeln frei ab und werden nicht fixiert. Sobald die Wehen einsetzen, dauert der Geburtsvorgang etwa vier bis sechs Stunden. Die Abferkelbucht ist mit einer Ferkelecke versehen, wo sich die Ferkel unter einer Wärmelampe zurückziehen können. Die Ferkel bleiben ca. sechs Wochen bei der Muttersau.
Die alten Schweinerassen sind sehr robuste und ruhige Tiere. Natürlich hängt es immer etwas von dem Charakter des Tieres ab, doch bisher hat Landwirt Heldrik Schramm sehr gute Erfahrungen mit den Sauen gemacht. Sie fangen früh mit dem Nestbau für ihre Ferkel an und haben seiner Meinung nach auch sonst sehr gute Muttereigenschaften.
Mehr Platz im Schweinestall
Die Schweine wachsen in Stallbereichen (Buchten) auf Stroh heran. In den Buchten steht ihnen doppelt so viel Platz wie gesetzlich vorgeschrieben zur Verfügung. In den Ställen sind überall Fenster vorhanden, so dass es lichtdurchflutet ist und das Klima im Stall durch die Außenluft beeinflusst wird. Der Landwirt muss auch kritische Fragen beantworten, wie zum Beispiel, dass "die Tiere doch wenig Platz haben". Die Antwort des Landwirts darauf ist: "Die Schweine haben mindestens doppelt so viel Platz zur Verfügung wie andere Tiere in anderen Betrieben." Betriebsleiter Schramm kann seinen Schweinen keinen Auslauf gewähren, dafür müsste er viel umbauen, was enorme Kosten verursachen würde. Wenn Fragen gestellt werden, warum die Schweine nicht nach draußen können, erläutert der Landwirt den enormen Kostenaufwand und dass die Produkte erheblich teurer sein müssten. Das stimmt die Verbraucherinnen und Verbraucher nachdenklich.
Die Tiere werden 10 Monate auf dem Hof gemästet, wobei das immer auf den Entwicklungsstand des einzelnen Schweines ankommt. Der Landwirt bringt die Tiere selbst zum Schlachter. Zwei Schlachtereien schlachten für den Betrieb, diese liegen beide im Umkreis von ca. 25 km, sodass durch kurze Transportwege der Stress möglichst geringgehalten wird.
Das Geflügel auf dem Hof: Masthähnchen und Perlhühner
Die Hähnchen kommen mit ca. 25 bis 30 Tagen auf den Hof. Bei Abholung des Geflügels hat es bereits ein ausreichendes Federkleid, um sich eigenständig warm zu halten. Die Hähnchen und Perlhühner kommen von Betrieben ganz aus der Nähe. Sie laufen auf dem Hof in kleineren Gruppen und haben genügend Platz, um sich frei und viel zu bewegen.
Sobald das Wetter mitspielt, gibt es für die Hähnchen die Möglichkeit, vom Stall nach draußen zu gelangen. Landwirt Schramm informiert: "Nicht alle Herden gehen nach draußen, manche schon, aber aus manchen Gruppen auch gar kein einziges Tier." Warum das so ist, das konnte die Landwirtefamilie noch nicht herausfinden.
Überwiegend bekommen die Hähnchen Weizen und als Eiweißkomponente erhalten sie Rapsextraktionsschrot. Wenn die Hähnchen ca. 70 Tage alt sind und um die 4 Kilogramm wiegen, werden sie geschlachtet. Je nach Bedarf werden die Hähnchen aus dem Stall genommen und vor Ort geschlachtet und verkauft. Den Bedarf schätzt Landwirt Schramm je nach Wetterlage, ob vielleicht viele Produkte zum Grillen nachgefragt werden, und aufgrund des insgesamt angemeldeten Bedarfs. Sie werden im Ganzen verkauft bzw. teilzerlegt.
Perlhühner haben ein gepunktetes Gefieder, einen etwas gewöhnungsbedürftigen flatternden Halslappen und einen bläulichen Kopf. Die Tiere sind etwas Besonderes und sie sind eindeutig die lautesten Bewohner auf dem Hof. So wie die Hähnchen bekommen auch die Perlhühner Weizen und als Eiweißkomponente ein Rapsextraktionsschrot. Anders als bei den Perlhühnern aus Frankreich, die ausgeschlachtet ca. 1 Kilogramm auf die Waage bringen, werden hier die Perlhühner mit einem Gewicht von ca. 2 Kilogramm für den Verkauf fertiggemacht, so Landwirt Schramm. Der Geschmack des Perlhuhns ist wie eine Mischung aus Huhn, Fasan und Rebhuhn. Das Fleisch ist dunkel gefärbt, saftig und zart. Betriebsleiter Schramm informiert: "Wir haben uns sehr bewusst für die Haltung dieses speziellen Geflügels entschieden und sind bis heute einer der wenigen Betriebe mit Perlhuhnhaltung in Schleswig-Holstein."
Mobile Geflügelschlachtung mit möglichst wenig Stress
Von der Aufzucht bis zur Schlachtung bemühen sich auf dem Betrieb alle, die Tiere unter so wenig Stress wie möglich zu setzen und den Mastvorgang auf einen größeren Zeitraum zu strecken. Das Geflügel wird auf dem Hof geschlachtet - mit dem Geflügelschlachtmobil.
Die Besucherinnen und Besucher konnten sich auch vor Ort informieren, wie das Geflügel geschlachtet wird. Das norddeutsche Schlachtmobil stand auf dem Hof und alle konnten hineingehen und sich die Vorgehensweise beim Schlachten erklären lassen. "Das Zweikammernsystem (Schwarzbereich und Weißbereich) des Schlachtmobils entspricht den höchsten Hygienestandards", erklärt Hinrich Schramm den interessierten Besuchern. Vorteile der mobilen Schlachtung sind eine stressfreiere Schlachtung, da der Transportweg entfällt, und es fallen keine Kosten für den Transport an.
Alle Produkte werden in der Region vermarktet
Die Verwertung des gesamten Tieres ist der Familie Schramm wichtig. Neben dem ganzen Geflügel, werden Teile und auch Glaswaren wie zum Beispiel Hähnchen-Sauerfleisch angeboten. Im Hofladen gibt es auch Hähnchen-Fond und Rillettes aus Hähnchenfleisch.
Der Landwirt ist zufrieden mit der Direktvermarktung: "Das schönste ist die direkte Vermarktung, einerseits mit dem Tierpart und andererseits mit dem fertigen Endprodukt zu tun zu haben." Die Produkte werden im Hofladen und an die Gastronomie in der Umgebung verkauft. Außerdem gibt es einen Verkaufsautomaten, an dem sich die Kundinnen und Kunden rund um die Uhr versorgen können. Der Betrieb hat die sogenannte Food-Box nun seit zwei Jahren im Einsatz und Landwirt Heldrik Schramm ist damit sehr zufrieden: "Die Regulierung der Produkte im Automaten, der täglich mit frischen Waren bestückt wird, wird über eine App gesteuert."
Verbraucherinnen und Verbraucher schätzen die Qualität der Produkte vom Hof und dass sie wissen, wo und wie die Tiere gelebt haben. Eine Besucherin sagte: "Ich kaufe das Fleisch hier im Hofladen schon seit über 20 Jahren und ich würde kein anderes mehr kaufen."
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