Maßnahmen für mehr Tierwohl in der Schweinehaltung
Die Haltungsbedingungen von Nutztieren sind ein Anliegen der Gesellschaft geworden. In diesem Zusammenhang sind die objektive Messung von Tierwohl und die Umsetzung von mehr Tierwohl im Stall Themen in unserer Gesellschaft und für die Politik.
Um zu gesicherten Erkenntnissen zu gelangen, fördert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) Forschungsprojekte. Um Ergebnisse aus der Forschung in die Praxis umsetzen zu können, werden Modell- und Demonstrationsvorhaben gefördert, in denen Betriebe - durch die Unterstützung finanziell abgesichert - Maßnahmen in der Tierhaltung ausprobieren können. Zeigen diese Maßnahmen Erfolge, können sie an andere landwirtschaftliche Betriebe weitergegeben werden. Wir zeigen ein paar Beispiele aus Forschung und Praxis.
Beispiele aus der Forschung
Tierwohl messbar machen
Das BMEL hatte beispielsweise Forschungsmittel für Projekte ausgeschrieben, in denen sogenannte Tierwohl-Indikatoren entwickelt werden. Darunter versteht man objektive Kriterien, mit denen das Tierwohl in einem Betrieb oder in Bezug auf ein individuelles Tier beurteilt werden kann.
Doch wie lässt sich das Tierwohl in den Nutztierställen messen? Um diese Frage in Zukunft besser beantworten zu können, zumindest für die Haltung von Schweinen, werden im Projekt mit dem Titel „Multivariate Bewertung des Tierwohls durch integrative Datenerfassung und Validierung von Tierwohlindikatoren in Schweinebeständen (MulTiViS)" Tierwohl-Indikatoren entwickelt und daraus Handlungsempfehlungen für die Praxis abgeleitet. Es sollen Kernaussagen erarbeitet werden, die zur Einführung eines flächendeckenden Tierwohl-Monitorings in ganz Deutschland dienen können. Das BMEL fördert das Projekt im Rahmen seiner Initiative "Eine Frage der Haltung - Neue Wege für mehr Tierwohl“.
Forschung zu Emotionen beim Schwein
Tierwohl ist sehr vielschichtig und besteht aus den folgenden Faktoren:
- Gesundheit und biologischer Funktionalität,
- der Möglichkeit, artgemäßes Verhalten auszuleben und
- dem Gemütszustand.
Die Beurteilung des Gemütszustandes und positiver Emotionen stellt derzeit eine große Herausforderung dar, weil ihre Bedeutung erst in den letzten Jahrzehnten wissenschaftliche Anerkennung erlangt hat. Nur mit der Berücksichtigung positiver Emotionen kann Tierwohl insgesamt messbar gemacht werden.
Einhergehend mit dem gesteigerten Interesse der Gesellschaft sowie dem aktuellen Forschungsziel der Wissenschaft, Tierwohl objektiv messbar zu machen, ist das Ziel des Projektes "FeelGood", ein umfassendes Verständnis der Emotionalität von landwirtschaftlichen Nutztieren am Beispiel von Mastschweinen zu erlangen. Zudem sollen geeignete Indikatoren herausgearbeitet werden, welche eine zuverlässige Erfassung positiver Emotionen ermöglichen.
Projekt "Frühindikatoren für das Auftreten von Schwanzbeißen beim Schwein (FriSch)"
Schwanzbeißen bei Schweinen ist eine weitverbreitete Verhaltensauffälligkeit in der intensiven Schweinehaltung. Es stellt ein großes Gesundheits- und Tierwohlproblem dar, dem verschiedene Ursachen zugrunde liegen. Eine hohe Besatzdichte, schlechte Futterqualität oder -zugänglichkeit, ungünstige Klimabedingungen im Stall oder fehlendes Beschäftigungsmaterial sind nur einige wenige Risikofaktoren, die einen Schwanzbeißausbruch begünstigen können.
Um ein Auftreten von Schwanzbeißen beim Schwein vorherzusagen und frühzeitig eingreifen zu können, ist es von wesentlicher Bedeutung, einfache und objektive Kriterien für ein Beobachtungssystem zu entwickeln. Diese sollen in der Praxis einfach oder automatisch erfassbar sein und den Landwirt in der täglichen Arbeit und Tierkontrolle unterstützen. In diesem Projekt bilden die Wasser- und Futteraufnahme sowie das aktive Verhalten der Tiere per Videoaufzeichnung die Grundlage für die Kriterien.
Von der Forschung in die Praxis
Damit die Ergebnisse aus Forschungsprojekten auch tatsächlich Eingang in die Praxis finden, hat das BMEL die „Modell- und Demonstrationsvorhaben (MuD) Tierschutz“ ins Leben gerufen. In landwirtschaftlichen Betrieben, sogenannten Demonstrationsbetrieben, werden innovative Verfahren und Techniken zur Haltung der Tiere erprobt. Im Rahmen dieser Vorhaben geben zum Beispiel qualifizierte Beraterinnen und Berater interessierten Landwirten für ihre Betriebe individuell zugeschnittene Empfehlungen, wie sie den Tierschutz verbessern können.
Haltung von Schweinen mit Langschwänzen
Ziel eines Projektes innerhalb der MuD Tierschutz ist es, unkupierte Schweine erfolgreich zu halten und den Erfolg der Maßnahmen Fachkollegen zu vermitteln. Durch das bundesweite Netzwerk an Demonstrationsbetrieben werden neueste wissenschaftliche Erkenntnisse sowie innovative Entwicklungen zur Verminderung des Risikos, dass Schwanzbeißen auftritt, in die Praxis transferiert.
Die teilnehmenden Betriebe erhalten intensive Beratung und setzen Maßnahmen, die dazu beitragen, das Risiko für das Auftreten von Schwanzbeißen zu minimieren, in ihrer Schweinehaltung um. Die Begleitung und Beratung der Betriebe erfolgt durch das Tierschutz-Kompetenzzentrum. Dieses dokumentiert in regelmäßigen Berichten die Entwicklung der Demonstrationsbetriebe.
Betriebsdaten, die in Bezug zur Problematik Schwanzbeißen im Betrieb stehen, werden systematisch erfasst und analysiert. Die Betriebsleiter des Netzwerks nehmen regelmäßig an Netzwerktreffen teil und legen ihre für das Schwanzbeißen relevanten Daten und Erfahrungen offen. Die Netzwerktreffen finden abwechselnd auf den am Netzwerk teilnehmenden Betrieben statt. Die Betriebe organisieren für interessierte Fachkollegen auch sogenannte Multiplikatorenveranstaltungen auf dem Betrieb.
Automatisierung für bessere Haltungsbedingungen
Seit Juni 2018 beschäftigen sich Modellbetriebe in der Landwirtschaft mit dem Einsatz von Automatisierungstechniken zur Verbesserung tierschutzrelevanter Haltungsbedingungen in der Ferkelaufzucht und Schweinemast.
Der besondere Schwerpunkt in diesem Netzwerk ist die Umsetzung von Maßnahmen, die zunächst mit viel Handarbeit ausprobiert wurden, die nun aber automatisiert werden sollen.
Mögliche umzusetzende Maßnahmen sind dabei beispielsweise der Einbau bzw. die Anschaffung von Automatisierungstechniken wie ein Rohrleitungssystem für die Verteilung von Raufutter und Beschäftigungsmaterial, die Technisierung der Verteilung von Einstreumaterialien oder technische Einrichtungen zur Optimierung des Güllesystems. Andere Möglichkeiten wären in Bezug auf die Optimierung der Haltungsumwelt beispielsweise die Reduzierung der Besatzdichte, wechselndes Beschäftigungsmaterial bzw. neue innovative Beschäftigungsmaterialien, eine Optimierung der Strukturierung im Stall oder auch die Verbesserung der Klimaführung.
Im August 2018 fand ein erstes Treffen der teilnehmenden Betriebe statt, die ihre Vorhaben vorstellten. Fazit aller Teilnehmerinnen und Teilnehmer war: Der Austausch mit Berufskollegen, die nicht Nachbarn sind, ist sehr wichtig. Jeder Betrieb ist anders, und jeder kann aus Erfolgen und Misserfolgen der Kollegen lernen und seine Maßnahmenplanung besser einschätzen.
Weitere Informationen
Blick in den Stall: Ferkel mit Langschwänzen auf einem konventionellen Schweinehaltungsbetrieb
Blick in den Stall: So leben die Schweine im Aktivstall
Video auf YouTube "Reduzierung des Risikos von Schwanzbeißen bei unkupierten Ferkeln"
Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration