Alternativen zur betäubungslosen Ferkelkastration
Ab dem 1. Januar 2021 gibt es in der Schweinehaltung in Deutschland eine neue Regelung: Die betäubungslose Ferkelkastration ist verboten.
Die meisten Schweinezuchtbetriebe kastrieren bisher die männlichen Ferkel. Sie wachsen nicht zu Jungebern heran, sondern bleiben sogenannte "Börge". Der Grund: Bei einem geringen Anteil des Jungeberfleisches kann es beim Erhitzen zu einem sehr unangenehmen Geruch, dem "Ebergeruch", kommen. Die Kastration männlicher Ferkel war bisher bis zum siebten Lebenstag noch ohne Betäubung erlaubt. Diese Praxis kritisierten Tierschützer. Der Gesetzgeber hat reagiert: Das Tierschutzgesetz wurde geändert. Die Ferkelkastration in Deutschland ist ab 1. Januar 2021 nur noch unter Betäubung erlaubt.
Die in Deutschland zulässigen Alternativen sind Ebermast, Immunokastration und Kastration unter Narkose. In den letzten Jahren und vor allem im Jahr 2020 haben sich viele Schweinehalterinnen und Schweinehalter mit diesem Thema beschäftigt. In rund 100 Veranstaltungen bundesweit konnten sie sich zu den Alternativmethoden informieren. Das Bundesinformationszentrum Landwirtschaft (BZL) hat in einem umfangreichen Medienpaket Informationen rund um das Thema angeboten.
Die Alternativen
Die schweinehaltenden Betriebe müssen ab 1.1.2021 mit einer der möglichen Alternativmethoden arbeiten.
Immunokastration (Impfung gegen Ebergeruch)
Eine Möglichkeit ist die sogenannte Immunokastration. Dabei handelt es sich um eine Impfung gegen Ebergeruch. Das Fleisch von den Tieren wird durch die Impfung nicht nachteilig beeinflusst. Die Impfung unterdrückt zuverlässig die Produktion von Geschlechtshormonen der Tiere. Nach außen sichtbar wird dies durch deutlich kleinere Hoden. Das verwendete Tierarzneimittel ist ein EU-weit zugelassener Impfstoff, der weltweit bereits seit längerem mit Erfolg eingesetzt wird. Es handelt sich dabei um zwei Injektionen, die im Abstand von mindestens vier Wochen durchgeführt werden. Die zweite Impfung muss zwischen vier und sechs Wochen vor der Schlachtung verabreicht werden. Bis die Wirkung der zweiten Impfung einsetzt werden die Tiere als intakte Eber mit allen Vor- und Nachteilen gehalten.
Ebermast
Eine weitere Alternative ist die Ebermast. Die Mast von intakten Ebern ist aus Sicht des Tierschutzes eine wenig umstrittene Methode, weil die Kastration bzw. Eingriffe gänzlich entfallen. Sie funktioniert gut, wenn man einige Dinge beachtet. Zum Beispiel müssen Jungeber mehr Futterplätze als die Börge haben und ihre Buchten sollten möglichst sauber sein. In schmutzigen Buchten besteht eine größere Gefahr, dass sich der gefürchtete Ebergeruch entwickelt. Auch muss das Futter für die Jungeber anders zusammengesetzt sein als für Börge. Beim Transport und im Wartebereich der Tiere im Schlachthof müssen Eber aufmerksamer behandelt werden. Doch die Mühe lohnt sich: Jungeber haben eine günstigere Futterverwertung als Börge. Sie benötigen bis zu einem halben Kilogramm weniger Futter, um ein Kilogramm Körpersubstanz zu bilden. Außerdem bilden sie höhere Fleischanteile bei weniger Speckauflage. Im Schlachthof angekommen riechen nur drei bis fünf Prozent der Eber so stark, dass man ihr Fleisch nicht ohne weiteres vermarkten kann. Und dieser Wert soll weiter reduziert werden. Deshalb fördert das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft Forschungsprojekte zur züchterischen Selektion von Schweinen mit geringem Ebergeruch und zur Reduzierung des Ebergeruchs durch gezielte Fütterung.
Chirurgische Kastration unter Narkose
Eine weitere Möglichkeit ist die Durchführung der chirurgischen Kastration unter Narkose, also unter vollständiger Betäubung. Derzeit kommen zwei Betäubungsverfahren bei der chirurgischen Ferkelkastration in Betracht: die Injektionsnarkose und die Inhalationsnarkose. Die Injektionsnarkose darf nach den Vorgaben des Tierschutzgesetzes nur von einer Tierärztin oder einem Tierarzt durchgeführt werden. Die Inhalationsnarkose darf seit Inkrafttreten der Ferkelbetäubungssachkundeverordnung im Januar 2020 auch durch sachkundige Personen durchgeführt werden. Bei den Verfahren müssen die Tiere begleitend mit Schmerzmitteln für die Behandlung des Wundschmerzes versorgt werden.
In Deutschland nicht zulässig ist die Lokalanästhesie
Eine weitere Methode wäre die Kastration mit Lokalanästhesie, der so genannte "vierte Weg", über den viel diskutiert wurde. Dabei geht es darum, die männlichen Ferkel unter örtlicher Betäubung zu kastrieren. Dieses Verfahren kann die Landwirtin oder der Landwirt unter bestimmten Voraussetzungen selbst durchführen. So wird es beispielsweise in Dänemark und Schweden praktiziert. Allerdings ist das in Deutschland nicht erlaubt, und es gibt in Deutschland auch noch kein zugelassenes Arzneimittel. Und wenn es ein zugelassenes Arzneimittel gäbe, dann dürfte auch zunächst nur der Tierarzt die Methode anwenden (Stand: Dezember 2020). Zu dieser Methode wird weiter geforscht.
Aktivitäten von Betrieben, Handel und Verbänden
Es gab schon 2008 und 2010 Aktivitäten der Mastbetriebe und des Handels: Bereits im September 2008 haben der Deutsche Bauernverband, der Verband der Fleischwirtschaft sowie der Hauptverband des deutschen Einzelhandels eine freiwillige Selbstverpflichtung zum Thema Ferkelkastration unterschrieben, die "Düsseldorfer Erklärung". Diese formulierte das gemeinsame Ziel, in Zukunft auf die betäubungslose Ferkelkastration zu verzichten. Das war schon ein erster Schritt auf dem Weg zum vollständigen Ausstieg aus der betäubungslosen Ferkelkastration.
Auf europäischer Ebene hatten Vertreter von Landwirten, Fleischindustrie, Einzelhandel, Forschung, Tierärzteschaft und Tierschutz bereits im Jahr 2010 das Ziel formuliert, die chirurgische Kastration von Ferkeln bis zum Januar 2018 ganz einzustellen.
Weitere Informationen
Zum Herunterladen: Mehr Tierwohl in der Schweinehaltung
Entscheidungshilfen und Medien für die Praxis
Achtminütige Filme zu jeder Alternativmethode auf dem BZL YouTube-Kanal