Tierversuche vermeiden, verringern und Leiden reduzieren

Tierversuche dürfen nur durchgeführt werden, wenn es keine Alternativen zu ihnen gibt. Aber nicht für alle erforderlichen Prüfungen oder wissenschaftlichen Fragestellungen sind Alternativen vorhanden. Deshalb müssen weitere Ersatzmethoden entwickelt werden. Solange noch Tierversuche durchgeführt werden, muss außerdem darauf hingearbeitet werden, die Belastung der Tiere zu reduzieren, zum Beispiel durch die Entwicklung von Verfahren zur Schmerzbehandlung.

Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) unterstützt die Forschung dabei, Alternativen zu Tierversuchen und zur Belastungsreduzierung zu entwickeln. Und obwohl an der Entwicklung von Alternativmethoden zu Tierversuchen mit Unterstützung der Bundesregierung verstärkt geforscht wird, kann nach dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse auf Versuche am Tier noch nicht verzichtet werden.

Suche nach neuen Ideen: Tierschutzforschungspreis

Um die Forschung weiter anzuregen, nach Möglichkeiten zur Einschränkung oder zum Ersatz dieser Tierversuche zu suchen, schreibt das BMEL einen Forschungspreis aus: den Tierschutzforschungspreis. Dieser Preis ist mit bis zu 25.000 Euro dotiert. Insbesondere Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler sind jedes Jahr aufgefordert, sich zu bewerben.

Der Preis wird für innovative, zukunftsweisende wissenschaftliche Arbeiten ausgeschrieben, die einen Beitrag zur Entwicklung von Methoden und Verfahren leisten, durch die Tierversuche ersetzt oder eingeschränkt werden können (Replacement und Reduction). Entsprechend dem 3RPrinzip können nachrangig auch Methoden für die Verbesserung der Haltebedingungen von Versuchstieren oder für die Verminderung von Schmerzen, Leiden oder Schäden im Versuch (Refinement) ausgezeichnet werden. In den Arbeiten soll auch auf den biologischen Aussagewert der Ergebnisse für den Menschen eingegangen werden.

Preisverleihung 2022: Erforschung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen

Die Preisträger im Jahr 2022 sind Leon Budde vom Institut für Mechatronische Systeme der Leibniz Universität Hannover und Dr. Tim Meyer vom Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universitätsmedizin Göttingen. Ihnen ist es gelungen, künstlich Herzgewebe herzustellen, das sich wie der Herzmuskel im lebenden Organismus verhält. Mit der entwickelten Methode kann in größerem Umfang künstlicher menschlicher Herzmuskel (EHM) erzeugt und beispielsweise die Wirkung von Arzneimitteln untersucht werden. Dabei ist es auch möglich, Modelle für krankhafte Veränderungen am Herzen nachzustellen. So könnten künftig deutlich weniger Tiere im Rahmen der Erforschung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen erforderlich sein.

Preis im Jahr 2021 für die Erforschung von Erkrankungen des menschlichen Nervensystems

Die Preisträger im Jahr 2021 sind Dr. Jan Bruder und Dr. Hendrik Renner vom Max-Planck-Institut für molekulare Biomedizin in Münster. Der Arbeitsgruppe um die beiden Wissenschaftler ist es gelungen, ein Verfahren zur Herstellung von dreidimensionalem organähnlichem Mini-Gewebe (sogenannte Mittelhirnorganoide) zu entwickeln, das unter anderem zur Erforschung von Erkrankungen des menschlichen Nervensystems – wie beispielsweise Alzheimer oder Parkinson – eingesetzt werden kann. Mit Hilfe des entwickelten Verfahrens könnten zukünftig Studien zu neurologischen Erkrankungen und deren Therapie anstatt im Tiermodell an den genannten Organoiden durchgeführt werden und auf diese Weise wären bis zu 10 Prozent weniger Tiere im Rahmen dieser Versuche erforderlich. So könnte die Nutzung von Versuchstieren im Rahmen der Erforschung der genannten Erkrankungen insgesamt deutlich reduziert werden.

Preisträgerin im Jahr 2020

In Jahr 2020 erhält Frau Dr. Anne-Katrin Rohlfing von der Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums Tübingen den Tierschutzforschungspreis für ihre Arbeit im Rahmen der "Entwicklung eines Verfahrens zur Reduzierung von Versuchen an genetisch veränderten Mäusen im Bereich der Thrombose- und Entzündungsforschung".

Frau Dr. Rohlfing befasste sich im Rahmen eines Forschungsprojektes mit der Entwicklung eines Zellkulturverfahrens, welches die Untersuchung genetisch veränderter Blutplättchen (Thrombozyten) ermöglicht. Neben der Blutgerinnung sind Thrombozyten zentral an der Entstehung von thrombotischen Erkrankungen (z. B. Herzinfarkt, Schlaganfall, Lungenembolie) beteiligt. Die Vermeidung und Behandlung derartiger Erkrankungen nimmt einen erheblichen Stellenwert in der Versorgung von ambulanten und stationären Patienten ein.

Mit Hilfe des entwickelten Verfahrens könnten zukünftig vor der Planung und Durchführung von Tierversuchen wichtige Informationen bereits im Zellkulturverfahren gewonnen werden und auf diese Weise bis zu 40 Prozent weniger genetisch veränderte Mäuse im Rahmen dieser Versuche erforderlich sein. So könnte die Nutzung von Versuchstieren im Rahmen der Erforschung der genannten Erkrankungen insgesamt deutlich reduziert werden.

Tierschutzforschungspreis 2019 verliehen

Das Auftreten von leberschädigenden Nebenwirkungen (Lebertoxizität) gehört zu den häufigsten Ursachen für den Rückruf von bereits zugelassenen Medikamenten, obwohl diese im Vorfeld unter anderem auch im Rahmen von Tierversuchen untersucht und als unschädlich eingestuft worden waren.

Wiebke Albrecht vom Leibniz-Institut für Arbeitsforschung an der Technischen Universität Dortmund erhält den Tierschutzforschungspreis im Jahr 2019, weil sie ein Verfahren entwickelt hat, mit dem die Nutzung von Versuchstieren für die Testung von pharmazeutischen Substanzen deutlich reduziert werden kann. So könnten zukünftig Substanzen im Zellkulturverfahren daraufhin getestet werden, ob diese toxisch auf die Leber wirken und damit verbundene Tierversuche entfallen.

Was wurde 2018 ausgezeichnet?

Der Preis im Jahr 2018 wurde an ein Team des Max-Planck-Institutes für Biophysikalische Chemie, Herrn Prof. Dr. Dirk Görlich und Herrn Dr. Tino Pleiner, für die "Entwicklung der sogenannten Nanobody-Technologie zur Herstellung von speziellen Antikörpern ("Nanobodies") und deren Produktion in Bakterien" verliehen.

Im Vordergrund der betreffenden Arbeit stehen die sogenannten Sekundärantikörper. Es handelt sich hier um vielfältig eingesetzte Werkzeuge in der biomedizinischen Forschung. Aber sie kommen auch in der Diagnostik, wie beispielsweise im Rahmen der Blutgruppenbestimmung oder in Schwangerschaftstests, zur Anwendung. Bisher werden diese Sekundärantikörper durch einen belastenden Eingriff an Tieren gewonnen. Dabei kommen insbesondere Ziegen, Schafe oder Esel zum Einsatz. Herr Prof. Görlich und Herr Dr. Pleiner haben nun einen Weg gefunden, um diese Antikörper in großen Mengen durch Bakterien herstellen zu lassen und auf den Einsatz von Versuchstieren weitestgehend verzichten zu können.

Deutsches Zentrum zum Schutz von Versuchstieren

Die "Zentralstelle zur Erfassung und Bewertung von Ersatz- und Ergänzungsmethoden zum Tierversuch" (ZEBET) wurde zum "Deutschen Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R)" ausgebaut.

Das Bf3R arbeitet intensiv daran, Alternativen zum Tierversuch zu erforschen und zu entwickeln sowie Behörden und Forscher über vorhandene Alternativmethoden zu informieren. Außerdem pflegt das Zentrum eine Datenbank zur Veröffentlichung von Informationen zu Tierversuchen. Mit Hilfe dieser Datenbank soll die Öffentlichkeit über durchgeführte Tierversuche in Deutschland informiert werden.

Das Zentrum soll die Aktivitäten in der Ersatzmethodenforschung sowie in der Beratung von Behörden und Forschern in Deutschland intensivieren. Es wirkt mit bei der Koordinierung der Fördermaßnahmen und Aktivitäten der Bundesregierung mit dem Ziel, Tierversuche auf das unerlässliche Maß zu beschränken und Versuchstieren den bestmöglichen Schutz zu gewährleisten. Darüber hinaus soll der Dialog mit den verschiedenen Interessengruppen zu den wissenschaftlichen und ethischen Herausforderungen beim Schutz von Versuchstieren verstärkt geführt werden.

Weitere Informationen

Forschung für mehr Tierwohl - Informationen des BMEL

Deutsches Zentrum zum Schutz von Versuchstieren (Bf3R)